Wer lieber Videos schaut statt zu lesen: Jill Please hat ein Erklärvideo dazu gemacht.
Zuständige Abgeordnete finden
Theoretisch könnten wir uns alle an alle Abgeordneten des Bundestages wenden. Erfolgsversprechender ist es, gezielt diejenigen zu kontaktieren, die für das Gebiet, wo wir jeweils leben, in den Bundestag gewählt sind. Auf der Website des Bundestages gibt es dafür eine Suchfunktion, bei der zum Beispiel nach Postleitzahl gefiltert werden kann.
Fraktionen checken
Je nach Wahlkreis tauchen für eine Postleitzahl dann ein oder mehrere Abgeordnete in der Liste auf – jeweils mit Portrait, Namen und Fraktionszugehörigkeit. Das gibt uns bereits einen ersten Anhaltspunkt: Wenn unter dem Namen die Buchstabenfolge AfD geschrieben sein sollte, wird dieser Person nicht geschrieben. Mit einer Partei, die Faschist*innen in den eigenen Reihen duldet, reden wir nicht. Besser für die Nerven. In allen anderen Fällen kommen wir zum nächsten Schritt.
Kontaktdaten finden
Ein Klick auf die jeweiligen Portraits öffnet eine Profilseite des*der jeweiligen Abgeordneten. Oben ist die Postanschrift vermerkt, darunter ein Kontaktformular verlinkt. Briefe auf Papier machen etwas mehr Aufwand und kosten zudem Porto, werden aber häufiger gelesen und wahrgenommen.
Da die Abstimmung bereits für den 19. Mai 2021 angesetzt ist, könnte das für den regulären Postweg etwas eng werden. Anrufen ist hier eine probate Alternative. Häufig wird man nicht den*die Abgeordnete direkt ans Telefon bekommen, sondern vor allem deren Büromitarbeiter*innen. Das macht aber nichts, die stehen in engem Austausch mit ihren Chef*innen und richten diesen sicher gerne aus, dass wir angerufen haben und dass sie Döspaddel sind, wenn sie gegen das Gesetz stimmen wir mit Zustimmung rechnen.
Anrufen
Anrufen ist eigentlich ganz einfach. Die entsprechenden Rufnummern gibt es häufig auf den Websites der Abgeordneten, die sich mit einer Suchmaschine online schnell finden lassen sollte.
Alternativ: Falls nicht, ist auf der Website des Bundestags bei E-Mail-Formularen auch eine allgemeine Telefonnummer angegeben. Bei einem Anruf dort zunächst bitten, das Gespräch in das Büro des*der betreffenden Abgeordneten durchzustellen. Auch ein Anruf direkt bei den Fraktionen ist möglich. Die Rufnummern dazu sind in der Sidebar.
Im Gespräch ist wichtig:
- freundlich bleiben ➔ Büromitarbeiter*innen sind ja selbst nicht stimmberechtigt und können ohnehin nur weiterleiten, was wir gesagt haben.
- kurz und bündig bleiben ➔ Gerade in Sitzungswochen ist in den Abgeordnetenbüros viel los. Wir wollen eine Sache, die können wir auch begründen. Zeit stehlen wollen wir dagegen nicht.
- Antragsnamen bereithalten ➔ Es geht um die zweite Lesung des Entwurfs für das Selbstbestimmungsgesetz (und das sehr ähnliche Geschlechtsidentitätsgesetz). Den Namen auf jeden Fall deutlich benennen, damit klar ist, worum es uns geht.
- Ziel nennen ➔ die “richtige” Abstimmung ist die Zustimmung.
- begründen ➔ wir tauchen nicht einfach auf, um “mach das” zu sagen, sondern wir haben gut überlegte Gründe.
- Konsequenzen bennenen ➔ Deutlich sagen, dass wir das Abstimmungsverhalten für kommende Wahlen in Erinnerung behalten.
Wenn wir telefonieren, könnten wir auf Gründe eingehen, wieso wir uns eine Zustimmung wünschen und um diese bitten. Dazu gehört, dass eine Reform des TSGs längst überfällig ist, da es nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht. Dagegen wurde das Selbstbestimmungsgesetz von Interessensvertretungen und Betroffenen stark gelobt. In anderen Ländern wie Dänemark, Belgien, Malta und weiteren Staaten gibt es bereits Selbstbestimmungsgesetze und die Regelungen dort funktionieren sehr gut.
Mail formulieren
Eine Alternative zum Anrufen ist es, dem*der Abgeordneten eine Mail zu schreiben. Der aufwendigste Punkt dabei: Das eigentliche Schreiben formulieren. In jedem Fall beginnt das Schreiben mit einer Anrede. Wenig falsch machen kann eins mit:
Sehr geehrte Theresa Wels,
Dann ganz wichtig: kurz selbst vorstellen, mindestens mit dem eigenen Namen und der Information, im Wahlkreis der angeschriebenen Person zu leben. Zum Beispiel:
mein Name ist Cassandra Sandsmark und ich wende mich an Sie in Ihrer Funktion als Abgeordnete für den Wahlkreis Allgäu-Dittmarschen, wo ich selbst auch lebe.
Auf den Vorstellungssatz folgt das eigentliche Thema des Anschreibens. Da wir hier an Abgeordnete schreiben, können wir davon ausgehen, dass der Gesetzentwurf bekannt ist. Wenn die Person, die wir anschreiben, bei den Grünen oder der Linkspartei ist, können wir uns für die Unterstützung in der Debatte bei der ersten Lesung und der Beschlussempfehlung bedanken:
Ich schreibe Ihnen, da ich Ihnen und Ihrer Fraktion für die Unterstützung der Reformvorschläge, die das TSG endlich ersetzen sollen, in der ersten Lesung und der Beschlussempfehlung danken möchte.
Wenn die Person dagegen in einer anderen Fraktion ist, können wir etwas kritischer sein:
Ich schreibe Ihnen, da ich Sie um Unterstützung für das Selbstbestimmungsgesetz, welches das sogenannte Transsexuellengesetz ersetzen soll, bitten möchte.
Der drittletze Teil im Brief, die Begründung kann sehr ausführlich werden oder auch nur einen Satz beinhalten. Und ist zudem der individuellste und persönlichste Teil des Anschreibens. Daher gibt es an dieser Stelle nichts Vorformuliertes. Wir könnten zum Beispiel darauf eingehen, dass eine Reform schon lange überfällig ist, dass der vorliegende Gesetzentwurf von Betroffenen und Interessensvertretungen stark gelobt wurde, dass die bisherige Rechtslage nicht dem Stand der Wissenschaft entspricht oder, dass die Verfahren aktuell sehr teuer und zudem diskriminierend sind. Eine Reform sollte da auf jeden Falle gegensteuern.
Damit das Schreiben nicht daherkommt, wie eine schlecht gestellte Textaufgabe in der Mathematik, benennen wir klar, was wir wollen. Das sind drei Forderungen: Die Zustimmung zum Gesetz, eine sogenannte Gewissensabstimmung, bei der nicht nach Fraktionen abgestimmt wird und eine namentliche Abstimmung, um nachvollziehen zu können, wie sich das Ergebnis am Ende zusammensetzt. Wir können darauf eingehen, dass sie sich dafür stark machen soll, dass es auf jeden Fall bei der einfachen Erklärung im Standesamt bleibt, dass uns alles, was dieses Gesetz bringt, wichtig ist und wir uns nicht mit weniger zufrieden geben werden. Der Teil wird noch durch die Bitte abgerundet, über den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens auf dem Laufenden gehalten zu werden. Das unterstreicht unser Interesse.
Aus den genannten Gründen freue ich mich, dass Sie und Ihre Kolleg*innen weiter an einer niedrigschwelligen, umfassenden und vor allem selbstbestimmten Reform für das TSG arbeiten. Bitte halten Sie mich über Entwicklungen und Termine in diesem Gesetzgebungsverfahren auf dem Laufenden.
Das Anschreiben endet mit einer Grußformel und der Erinnerung, die Entscheidung für die nächste Wahl im Hinterkopf zu behalten. Nach der Grußformel folgt bei Papierbriefen noch eine eigenhändige Unterschrift. Unabhängig der Form wird der eigene Name immer noch mal ausgeschrieben. Etwa so:
Ich freue mich über ihre Unterstützung und werde den Verlauf des Gesetzgebungsverfahren auch für meine nächsten Wahlentscheidungen im Hinterkopf behalten. Cassandra Sandsmark
Das geht aber nicht, weil
Das wird oft eine einseitige Kommunikation werden. Wir teilen mit, das wird gelesen oder weitergegeben - aber eine inhaltliche Antwort gibts öfter mal nicht. Manchmal schon. Und dann tauchen Gegenargumente auf. Für einige davon gibts hier noch Antworten.
Schon bei der ersten Lesung kam aus der CDU häufig ein Verweis auf die Wehrpflicht, die ja im Grundgesetz festgelegt ist. Wenn jetzt Leute ihr Geschlecht einfach ändern könnten wäre das super schwierig, wenn die Wehrpflicht wieder eingeführt würde, weil sich dann Leute ja sozusagen drücken könnten. Das Argument wirkt erschlagend, weil das Grundgesetz als Verfassung unumgehbar im Raum steht. Zunächst. Die Wehrpflicht ist schon lange ausgesetzt. Es gibt genau keine Bestrebung von irgendwem, die zeitnah wieder einzuführen. Zudem könnte man, falls man sie tatsächlich wieder einführt, sie einfach auf alle Geschlechter ausweiten. Das ist also kein absolutes Hindernis.
Speziell aus der SPD, die sich in den Anhörungen in den Bundestagsausschüssen durchaus konstruktiv und offen zeigte, sickert ein wenig durch, dass sie den Koalitionsvertrag nicht brechen wollen. Demnach dürfte die SPD nicht gegen ihre Koalitionspartner abstimmen. Da gäbs jetzt zwei Lösungen für: Einerseits: Die CDU überzeugen. Das klingt nicht super realistisch. Andererseits: Die SPD mal dran erinnern, dass Koalitionsverträge kein Teil des Grundgesetzes sind. Dass Abgeordnetenmandate immer frei sind. Dass Menschenrechte gerne mal vorne anstehen können. Und dass sie in ihrem eigenen Wahlprogramm geschrieben haben, dass sie (nach der Wahl dann) das TSG reformieren wollen. Eine Partei, deren Fraktion statt längst überfällige Reformen zu ermöglichen lieber hinter einem Koalitionsvertrag versteckt, wirbt nicht gerade dafür, dass sie bei einer kommenden Wahl auch gewählt werden will.
Eins noch. Wenn es um inhaltliche Aspekte geht. Um Fristen zum Beispiel. Oder um die vorgesehene Ausgestaltung des Offenbarungsverbot und auf Grund des exakten angedachten Regelungen eine Zustimmung nicht möglich sei, ist auch das kein Argument. In der zweiten Lesung werden Änderungsantrage beraten. Alle Abgeordneten können die stellen. Es war fast ein Jahr Zeit in den Ausschüssen, die gemeinsam zu erarbeiten. Die Möglichkeit, Änderungen einzubringen und Kompromisse zu schließen, bestand und besteht.